Wir stehen heute hier, weil uns der Angriffskrieg des russischen Präsidenten Putin dazu zwingt.
Er zwingt uns, die Augen zu öffnen. Wo wir scheinbar 2008 in Georgien oder 2014 in der Ukraine scheinbar noch wegschauen konnten, weil es ja angeblich nur um Seperatisten und umstrittene Gebiete ging, weil es uns ja angeblich nichts anging, haben wir diesen Luxus heute nicht mehr. Denn Putins Angriffskrieg ist ein Eroberungskrieg gegen ein ganzes Land.
Ein Land, dessen einziges Verbrechen es ist, über seine Zukunft selbst bestimmen zu wollen und in dieser Selbstbestimmung den Weg der freiheitlichen Demokratie gehen zu wollen. Das ist für Putin das wahre Gräuel, das er nicht dulden kann: Sowjetische Nachfolgestaaten, die sich für Frieden, Wohlstand, Demokratie und Toleranz entscheiden statt für Autoritarismus, Kleptokratie, Korruption und Unterdrückung. Das ist es, was er so fürchtet – dass den Menschen in Russland klar wird, dass es eine Alternative zum Modell Putin gibt. Deshalb spricht Putin in seinen wirren Geschichtsstunden nicht nur der Ukraine das Existenzrecht ab, sondern auch den EU- und NATO-Staaten, unseren engen Verbündeten Estland, Lettland und Litauen. Und deshalb greift Putin nicht nur ein Land an, sondern die Idee der freiheitlichen Demokratie selbst. Das ist ein Angriff auf uns alle.
Damit betrifft dieser Krieg uns ganz direkt. Ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei geht, aber ich habe zunächst vor allem Angst gefühlt. Meine Generation kennt keinen Krieg in Europa, schon gar keinen Eroberungskrieg. Und ich hatte gehofft, dass wir ihn auch nicht kennenlernen werden.
Diese Angst darf uns aber nicht lähmen. Putins Angriff auf die Idee der Demokratie dürfen wir nicht einfach hinnehmen. Wir müssen uns ihm mit aller Entschlossenheit entgegenstellen. Meine Dankbarkeit gilt dabei auch den Russinnen und Russen, die sich Putin entgegenstellen, die friedliche Demonstrationen organisieren. Einer von ihnen ist Dimitri Androssow, den ich 2019 auf dem Bundeskongress kennenlernen durfte. Er wurde heute früh für die Organisation einer Demonstration verhaftet und wird voraussichtlich morgen zu einer Haftstrafe verurteilt. So handeln Diktatoren.
Unsere Entschlossenheit bedeutet, dass sich viele von uns von Lebenslügen verabschieden müssen. Frieden gibt es nicht geschenkt. Diplomatie alleine hält einen autoritären Herrscher nicht vom Krieg ab. Wir müssen in er Lage sein, uns selbst zu verteidigen. Unsere Gedanken an die Freundinnen und Freunde in der Ukraine müssen dazu führen, dass wir sie bei ihrer Selbstverteidigung unterstützen. Und ich bin der Bundesregierung dafür dankbar, dass sie dafür sorgt.